Dienstag, 19. Februar 2013
Work hard, play hard: Marlborough Vine Works or: Take off in Blennytown!
Work hard, play hard! 
Marlborough Vine Works or: Take off in Blennytown! 

Meine erste Station auf meiner alleinigen Weiterreise: Blenheim (sprich: "Blenham")! Eigentlich hatte ich mir geschworen, diese Stadt nicht noch mal aufzusuchen, nachdem wir doch etwas Pech beim Hitchhiken dort hatten und der Name erst...! Aber trotzalledem habe ich mich in die Stadt verliebt, und das kam so... 
Zunächst hatte ich ziemlich Glück bei meiner Abreise in Wellington: Zufällig nahm mich eine belgische Familie mit, die auch zur Fähre wollte. Schnell stellte sich heraus, dass sie nicht wirklich wussten, wo sie hinmussten und ich mit meinen "herausragenden" Ortskenntnissen aushelfen musste...Naja, auf jeden Fall erreichten wir die Fähre rechtzeitig! 
Die Überfahrt mit der Fähre und die Busfahrt verliefen reibungslos. 
Im sonnigen Blenheim angekommen, latschte (pardon für diesen durchaus kolloquialen Ausdruck, aber aufgrund meines "heavy luggage" bin ich wirklich gelatscht wie ein Kamel!) zur i-Site und ließ mir erklären, wohin ich müsse. Bewaffnet mit einem Stadtplan, lief ich erst in die "town", um Geld abzuheben, da das Hostel nur bar akzeptierte. 
Anschließend machte ich mich in der brütenden Hitze Blenheims (ich übertreibe nicht, es war wirklich HEIß!) auf den Weg zu meinem Hostel. Nummer 19, 19 A... 
Bei meiner Ankunft war ich natürlich etwas nervös, aber das legte sich schnell, während ich mich mit Sarah, einer Deutschen, und Eduardo, einem Chilenen, unterhielt, die gerade Feierabend von ihrem Muschelfabrik-Job hatten. 
Schon bald tauchte Nick, der Manager vom "Leeway's Backpackers" auf. Ich war etwas überrascht, hatte ich doch einen Mann in seinen Vierzigern erwartet und vor mir stand ein Mann Ende 20. Na, umso besser! 

Zu Nick ist zu sagen, dass auch er unter dem Working Holiday Visum in Neuseeland verweilt. Seine Freundin und er kamen aus England hierher gereist, wohnen nun schon seit einigen Monaten in "Blennytown", um genau zu sein in einem Wohncontainer neben dem Hostel. Natürlich freuen sie sich darauf, ab März endlich mit ihrem Campervan durchstarten zu können! :) All das hat ihrer Freundlichkeit und ihrer Hilfsbereitschaft aber keinen Abbruch getan. :-) 

Also wurde ich freundlich empfangen und durch das kuschelige Hostel geführt, das ganz der Aussage auf der Internetseite entsprach: "Where the atmosphere is like a huge share house"! I pretty much liked it from the very first moment. 
Es wurde mir freigestellt, wo ich wohnen wolle und ich entschied mich für das Zimmer mit drei deutschen Jungs, da die Alternative nur ein Zimmer mit zwei Französinnen gewesen wäre, deren Englisch so lalá war und deren Sprache ich nun mal leider nicht verstehe. ;-) 
In der darauffolgenden Woche füllte sich das Zimmer zusehends; aus drei Jungs wurden bald acht oder auch neun, sodass ich das einzige Mädchen im 10er-Dorm war. Aber das war sehr unterhaltsam! Besonders als meine Lieblingssaarländer alias meine Bodyguards (die Rolle hatten sie sich selbst seit einer kleinen Streitigkeit zwischen einem Mitbewohner und mir zugeschrieben) ankamen, konnte ich abends vor Lachen oft kaum in den Schlaf finden. 
Außerdem bewohnten auch zeitweise penetrante Schnarcher unseren "Starfish Room", wobei Nick einen von ihnen, einen amerikanischen Patrioten, knallhart nach draußen auf die Hängematte verbannte...:D 
Ein andermal steckte unser lieber Manager trotz Drohungen seitens der Saarländer einen recht alten Mann in unser Zimmer, der -wie erwartet- vor allen anderen einschlief und uns das Einschlafen nicht gerade erleichterte. Es endete schließlich damit, dass zwei Andere und ich ins Wohnzimmer flüchteten, um auf den Sofas zu schlafen. Erleichterung. 

Zudem kamen zwei neue deutsche Mädels, Katharina und eine weitere Leonie, an, mit denen ich mich auf Anhieb gut verstand und in deren Zimmer, den "Conch Room" ich später auch umzog, da ich im Starfish des Öfteren von angeheiterten Saarländern nachts um drei zum Feiern animiert wurde..:D Es war wirklich lustig, aber wenn man um fünf aufstehen muss, könnte man da schon ein wenig aggressiv werden..;-) 
Die Jungs im Leeway's arbeiteten -wenn auch mit einigem Unmut und obligatorischen Protesthymnen- hauptsächlich beim "wire lifting" auf den Vineyards, d.h. einfach die Drähte aus den Halterungen heben und in die nächsthöhere befördern. Was heißt einfach? Hört sich einfach an, ist aber verdammt anstrengend; kein Wunder, dass dafür fast ausnahmslos Jungen eingestellt wurden. 
Am ersten Wochenende fuhr uns Nick im klapprigen Hostel-Van zur Whites Bay; der Van klapperte allerdings vor allen Dingen bei seiner rasanten 
Fahrweise, bei der er den armen, alten Van nur so um die Kurven schleuderte. Gegenverkehr wäre auf jeden Fall nicht von Vorteil gewesen!
Nachdem wir ein Stück der Marlborough Region mit seinen schier endlosen Vineyards vor der Kulisse beigefarbener Bergketten durchquert hatten, tuckerte der Van eine gewundene und recht enge Straße hoch. 
Der Strand selbst war traumhaft, malerisch, nur für den NZ-Besucher etwas zu bevölkert mit großen und kleinen, dicken und dünnen Körpern, die in der Sonne brieten. Aber nevermind, wir sollten ja auch alsbald dazugehören. :-) 
Als wir baden gingen, wollten die Kieler Jungs und Robbie, der klischeehaft rothaarige Schotte, mich in ihr Rugbyspiel miteinbeziehen, was leider nicht sooo erfolgreich war. Mit der Entschuldigung, noch ein bisschen schwimmen gehen zu wollen, versuchte ich einen mehr oder weniger galanten Abgang und tauchte ab in das kalte, türkisblaue Wasser. 
(Merke: Jungs + Ball = steinzeitliche Verfolgungsjagden & Herumgebrüll!) 
Bald kamen die Anderen nach und ich ging noch mal mit Katharina und Leonie schwimmen. Baywatch war leider nicht so sexy wie im Original! 

Am Donnerstag war ich angekommen, am Dienstag erwartete Katharina und mich schon unser erster Arbeitstag auf einem Vineyard. Leonie und Katha hatten den Job mit einem Münzwurf auslosen müssen. 
Morgens um sechs standen wir also an der i-Site und warteten in der kühlen Morgenluft auf den Van, der uns abholen sollte. Zu unserer Überraschung herrschte schon reges Treiben auf dem Parkplatz, denn dort befindet sich sozusagen der zentrale "Arbeitereinladeplatz". 
Schließlich tauchte auch unser Van mit Mannschaft + Supervisorin auf. Letzere, Siobhan ("Shoboan") mit Namen, begrüßte uns freundlich. Ich muss zugeben, dass sie mir erst recht unsympathisch vorkam mit ihrem burschikosen Auftreten, doch dieser erste Eindruck wich  in den nächsten Tagen und Wochen bald dem einer Art Mutter, die ständig um das Wohl ihrer "Küken" bedacht war, wenn sie auch gleichzeitig wirklich streng sein konnte. Zu dem "Next week nobody's leavin' before half past five!!!" kam es trotzdem nie; viertel nach vier blieb stets unser Maximum. ;-) 

Am ersten Tag bekamen wir eine bestimmt zweistündige (bezahlte, versteht sich ;)) Einführung in unsere Tätigkeit: Taping, Wrapping, Cutting...Also einfach die jungen Pflanzen bearbeiten und dafür sorgen, dass sie bei dem starken Wind auf dem Hügel in der Nähe des Ozeans nicht sofort wieder umknicken. Nicht nur einmal während der Stunden auf dem Vineyard, inklusive davonrollenden und flatternden Taperollen, regten Katharina und ich uns darüber auf, wie man denn so geldgierig sein und einen Vineyard unter solchen Bedingungen anpflanzen kann..;-) Aber letzendlich hat uns diese Gier natürlich unseren Job verschafft. 

Unser Team bestand aus zwei Frauen aus Thailand, deren einer Sohn auch mitarbeitete, einem "kiwi couple" Anfang zwanzig, etwas faul und daher seit einigen Monaten dort arbeitend und "Bimbo", einem ominösen, etwas krummbeinigen und mürrisch dreinblickenden Maori. Dann waren da noch Brongwan, (fragt mich bitte nicht, wie man ihren Namen schreibt) eine braungebrannte, tätowierte ältere Dame mit Narrenfreiheit (z.B. Rauchen während der Arbeit ;)) und Josh, ein neuseeländischer Jura-Student aus Wellington. 
Der Sommer war etwas merkwürdig: Einmal beendeten wir unsere Arbeit früher, weil der Wind so scharf durch unsere Körper pfiff, dass uns Finger und Füße taub wurden (na gut, mögt ihr jetzt sagen, im Winter ist das hier auch nicht anders; blöderweise hatten wir nur alle nicht genug an und meist steht man ja auf der Stelle..). Ein anderes Mal machten wir eine Stunde früher Schluss, weil es trotz eines lauen Lüftchens drückend heiß war. 
Dieser Job brauchte bestimmt zwei Wochen, bis ich mit ihm angefreundet hatte, länger als in Hastings. Aber im Grunde hatten wir wirklich Glück: Ein geographisch gesehen toller Arbeitsplatz: Ein Panoramablick über den Pazifik, am Horizont die Nordinsel, und zudem über das Awatere Valley mit seinen hellgrün leuchtenden Weinfeldern. 

Die Wochenenden gestalteten sich recht feuchtfröhlich im famosen "Shed", einer umfunktionierten Partygarage, in der unzählige "Beerpong"-Matches ausgetragen wurden. Jedes Mal sehr amüsant. Am Ende bleibt nur zu sagen: Interessant, was gruppendynamisch in einem Hostel so abgeht..;-) 

Die Nacht vor dem ersten Februar wurde natürlich auch dort verbracht; um zwölf kamen Leonie und Katharina mit Fudge in Form einer 19 und einer Flasche "Sex on the Beach" herein! Da habe ich mich vielleicht gefreut! (Ach so, Fudge ist das leckerste, kalorienreichste Konfekt, das es gibt: Man verschmelze Erdnussbutter, Karamell, Schokolade und Kekse und lasse es erkalten! :))
Nachdem ich die Kerzen ausgeblasen hatte, bekamen alle etwas ab. :) 
Mein Geburtstag selbst war auch sehr schön - natürlich ungewohnt, plötzlich allein im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen und nicht mit Merlin zusammen. Geteilte Freude ist eben doch doppelte Freude!
Wir konnten nach vier Wochen um fünf Uhr aufstehen ausschlafen, ein Traum. An dem Tag fuhren wir mit Christie, der Hostelbesitzerin, spontan in die nächstgelegene Schokoladenmanufaktur, "Makana". Dort durften wir etliche der handgemachten Pralinen kosten. Allein die Einrichtung war den Ausflug wert: Die Wände der Eingangs- und Verkaufshalle leuchteten in rosa und gold, in den Regalen standen so viele verheißungsvoll aussehende Pralinenschachteln mit ebenso verheißungsvoll klingenden Namen. 

Mit meinen deutschen Freundinnen ging ich zweimal ins Kino, zwei sehr empfehlenswerte, historische Filme: Der erste war "Les Miserablės", der während der französischen Revolution spielt und der mir so viele Tränen abgerungen hat wie kein anderer Film. ;-) Außerdem fand ich, dass er einen schon nachhaltig beschäftigt, weshalb ich mir während unserer zahlreichen Library-Besuche die zur Verfügung stehende Nacherzählung zu Gemüte führte. 
Hinzu kam "Anna Karenina", eine tragische Liebesgeschichte in der Oberschicht Sankt Petersburgs im Jahre 1874. Möchte natürlich nicht zu viel verraten! Suche im Moment den Roman dazu, geschrieben von Leo Tolstoy. 
Nicht zu vergessen ist die Wanderung zu den "Wither Hills", die wir drei Mädels schwitzend und keuchend unternommen haben. Oben angekommen, sahen wir uns den Sonnenuntergang an und liefen in der lauen Sommernacht bei aufgehendem Mond wieder hinunter.

Unsere Stammtruppe bestand also aus den Saarländern, dem Schotten Robbie, dem Tschechen Petr (mit dem ich mich des Öfteren über die aktuelle Lage der Menschheit unterhalten habe..War echt interessant, auch wenn wir noch keine Lösung haben. :P), zwei Mädels aus Blankenese, "Jürgen Vogel", zwei Kieler Jungs, für zwei Monate "versklavt" in einer Muschelfabrik, Sarah & Eduardo sowie Richard und Boris, die in Wirklichkeit Johannes und Moritz hießen. Zwischendurch kamen Schottinnen, Franzosen, SCHWEDEN (Freude!!) und auch ein Israelis vorbei.

Das "Leeway's" wird wohl immer eine Art zweites Zuhause hier in Neuseeland sein; sechs Wochen mit denselben Leuten schweißen einen echt zusammen, wie eine kleine Familie. ;-) Dementsprechend fiel mir der Abschied von den ganzen liebenswerten Menschen dort nicht so leicht. Aber man sollte ja bekanntlichermaßen gehen, wenn's am schönsten ist! So kann ich diesen Platz und diese Stadt in guter Erinnerung behalten. Salėėė und Starfish Power!!! 

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